Hiermit startet das vor ein paar Tagen bereits angekündigte Blog Projekt. Zukünftig möchte ich hier Interviews mit nationalen, sowie internationalen Medaka Haltern und Züchter führen und natürlich für Euch veröffentlichen. Sicher ist es nicht nur für mich interessant und spannend mehr über andere Leute aus der Medaka Szene zu erfahren, und Ihre Meinungen zu gewissen Themen zu hören!
Besonders freue ich mich darüber das Friedrich Bitter auf meine Anfrage bzgl. dem Interview gleich zugesagt hatte. Herr Bitter ist in der Aquaristik Szene sicher kein Unbekannter. Durch seine ausführlichen Berichte in zwei Ausgaben der AMAZONAS (darüber wurde im Blog berichtet) zusammen mit seinem japanischen Freund Fumitoshi Mori hat es den Medaka Freunden einigen Zulauf im deutsch sprachigen Raum und international beschert!

Axel Eywill
Hallo Friedrich und herzlichen Dank, dass ich Dich für medakaproject.com interviewen darf. Du bist Halter und Züchter von japanischen Reisfischen, den Medaka. Wie bist Du zu dieser Art gekommen, und was fasziniert Dich an ihnen?
Friedrich Bitter
Aus dem Nordwesten der Republik unser typisches Moin, Moin zurück. Eine Farbform von Oryzias latipes, die wir früher als „Gold-Medaka“ bezeichnet haben, habe ich vorübergehend in den 1970er Jahren gepflegt. Die gab es damals im Zoofachhandel. Später konnte ich mit japanischen und chinesischen Freunden diese Art und/oder O. sinensis in China fangen.
Richtig infiziert mit dem Medaka-Virus (wenn man das so nennen darf) wurde ich dann von meinem Freund Fumitoshi Mori, der mich anlässlich einer Japanreise mit verschiedenen Züchtern bekannt machte, mich mit Informationen versorgte und sich bis heute nicht zu schade ist, alle meine Fragen erschöpfend zu beantworten.

Worin die spezielle Faszination der Medaka liegt, ist nicht so einfach zu beschreiben. Sicherlich muss man da an erster Stelle die Vielfalt an Farben und Mustern nennen, aber für mich, der ja ein paar Aquarien und Becken mehr zu betreuen hat, haben sie einfach auch praktische Vorteile. Sie kommen mit unserem hiesigen Leitungswasser sehr gut zurecht, sind auch hinsichtlich der Haltung und Zucht unproblematisch, können vom späten Frühjahr bis in den Spätherbst im Freien gehalten werden – da stimmt einfach das Gesamtpaket.

Axel Eywill
Wie waren dann Deine Anfänge in der Aquaristik? Und welche Tiere hältst Du noch zuhause?
Friedrich Bitter:
Seit grauer Vorzeit … – aber ernsthaft: Bei mir fing das relativ früh an, so 1960/61. Ich kann mich schemenhaft daran erinnern, dass wir im Wohnzimmer ein offenes Rahmenaquarium hatten, das völlig mit Pflanzen zugewuchert war. Und dann gab es da den Besuch beim Onkel meines Vaters, Werner Zuschlag, der in Dortmund einen ganzen Raum mit Aquarien besaß und vor allem Killifische pflegte. Ich denke, das spezielle Raumklima mit den typischen Gerüchen hat sich bei mir, positiv belegt, im Kopf festgesetzt. Und so kamen mit der Zeit und über die Jahre immer mehr eigene Aquarien hinzu, erst im eigenen Zimmer, dann im Keller und mittlerweile im ebenerdigen Zuchtraum und mehreren Foliengewächshäusern.

Wenn es um die Fische geht, die ich halte und meist auch nachzüchte, so würde es hier den Rahmen sprengen, alle Arten aufzuzählen. Da mein Aquarienraum mit Temperaturen zwischen 19 und 22 °C relativ kühl gefahren wird, konzentriere ich mich auf Fische, die damit gut zurechtkommen. Das sind häufig solche, bei denen ich die Ausgangstiere selbst gefangen habe, etwa westafrikanische Killifische, asiatische Grundeln und Bergbachschmerlen oder Fische aus dem Südosten der USA. In letzter Zeit kamen noch so einige Spezies aus Asien – insbesondere aus Myanmar und Indien – als kommerzielle Importe hinzu.
Wenn die Frage nach den Tieren über die Aquaristik hinausgeht und wir aus dem „Du“ ein „ihr“ machen, wird die Liste länger. Thüringer Waldziegen, Kunekune-Schweine, Enten, Gänse, Schifferhühner und Lakenfelder Hühner, dazu ein Altdeutscher Hütehund und ein Deutscher Pinscher, Molche, Pfeilgiftfrösche, Schildkröten – sicherlich habe ich da noch einiges vergessen.

Axel Eywill
Medaka werden schon ziemlich lange in Gefangenschaft gehalten. Was kannst Du uns über deren Geschichte erzählen?
Friedrich Bitter
Dass die Japaner Reisfische seit mehreren Hundert Jahren pflegen, ist aus der Literatur bekannt. Dazu gibt es beispielsweise gemalte Bilder entsprechenden Alters, die Medaka zeigen, allerdings in leicht stilisierter Form. Aber ich habe auch mal ein wenig geforscht, seit wann man denn die Tiere in Deutschland kennt, die ja bereits 1850 als Poecilia latipes von Temminck & Schlegel wissenschaftlich beschrieben wurden. Ott hat vor beinahe 40 Jahren zum gleichen Thema einen lesenwerten Beitrag in der DATZ verfasst, der mit meinen Recherchen weitgehend übereinstimmt. So wurden nach einer Quelle erstmals 1897 Japanische Reisfische von einem Arzt aus Hamburg lebend eingeführt, eine andere nennt sogar das Jahr 1865 für die Ersteinfuhr des „Japanischen Goldhechts“, bei dem es sich um die rote Zucht von O. latipes handelte.

Jedenfalls gab Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts nicht nur mehrere, meist kommerzielle Importe, zwischen 1898 und dem Beginn des 1. Weltkriegs wurden auch zahlreiche Beiträge über diese damals noch Reiskärpflinge genannten Fische in den „Blättern“ und „Wochenschriften“ publiziert. Auch wenn es dann nach dem 1. Weltkrieg ruhiger um diese Art wurde, ab und an scheint man sich mit den Fischen doch beschäftigt zu haben. Also: Medaka sind aquaristisch nicht wirklich neu – in Deutschland kennen Aquarianer sie seit über 120 Jahren. Nur waren sie zwischendurch lediglich Insidern bekannt bzw. nicht allgemein verfügbar.
Axel Eywill
Medaka haben außerhalb Japans eine noch recht kurze Geschichte. Du bist einer der Ersten Medaka Halter & Züchter außerhalb Japans gewesen. Die Fangemeinde wächst international langsam aber sicher. Wie siehst Du die Entwicklung international und natürlich besonders im deutsch sprachigen Raum?
Friedrich Bitter
Ich habe meinen Fokus erst relativ spät auf Medaka-Varianten gelegt, nämlich im Jahr 2015. Erbfeste Zuchtformen gibt es in Japan mittlerweile weit mehr als 1.000. Da bin ich mit meinen rund 50 japanischen Formen beinahe noch ein Waisenknabe.
Für mich geht die Tendenz bei der Medaka-Zucht bzw. den Varianten auch bei uns in Europa hin zu den Formen, die besonders bei der Draufsicht auffallen. Machen wir uns nichts vor: Aquaristisch muss der Reisfisch mit der gesamten Palette der Zierfische konkurrieren. Als Besatz für kleine Teiche, Becken, Wasserläufe und Bottiche ist er aber praktisch konkurrenzlos. Das muss sich vielleicht erst noch herumsprechen, aber ich sehe ja in unserem Onlineshop, wie die Nachfrage von Jahr zu Jahr ansteigt.
Dabei sind uns die Südeuropäer, insbesondere die Italiener eventuell um einiges voraus, was wohl vor allem mit dem wärmeren Klima zu tun hat. Wenn man aber sieht, wieviele Besitzer von Balkonen, Terrassen und/oder Gärten es bei uns in Deutschland gibt – da geht in der Zukunft sicher noch viel mehr.
Axel Eywill:
Japan ist uns natürlich um Lichtjahre voraus was den Medaka betrifft. Das gilt insbesondere auch für Medaka-Literatur. Bisher gibt es außerhalb Japans nur wissenschaftliche Bücher oder ab und zu Berichte in aquaristischen Fachmagazinen (z.B. der Amazonas). Die Nachfrage nach Medaka-Literatur außerhalb Japans ist sicher am Wachsen bzw. zumindest in kleinem Umfang bereits vorhanden. Da Du ja im Verlagswesen tätig bist, wie stehen die Chancen auf ein Medaka-Buch in englischer oder sogar deutscher Sprache?
Friedrich Bitter:
Ich finde es aufregend, in welch kurzer zeitlicher Reihenfolge in Japan Bücher und Magazine mit dem Schwerpunkt Medaka veröffentlicht und verkauft werden. Die Zahl der Liebhaber geht aber – ganz vorsichtig geschätzt – in die Hunderttausende. Es gibt mehrere Medaka-Vereine und zahlreiche regionale Veranstaltungen. Und da auch die Anzahl versierter Züchter enorm groß ist, geht den Autoren der Stoff praktisch nie aus.
Selbstverständlich wird es bei uns oder international in absehbarer Zeit Bücher zum Thema Medaka geben. Aber ich warne vor Schnellschüssen: Wer hat denn außerhalb Japans den Überblick bzw. kann ausreichend praktische Erfahrung einbringen? Schöne Fotos zu zeigen ist das eine, aber es sollten doch auch Informationen zu Haltung und Zucht vermittelt werden, die über das hinausgehen, was bei Instagram, Facebook & Co. zu lesen ist. Und – ganz wichtig – für den Verlag: Es muss ausreichend Interesse geben. Da sind wir zunächst mit unseren Fischen gefragt.
Axel Eywill:
Mittlerweile gibt es einige Medaka-Linien in Europa. Meist Dank privater Initiativen. Gewerbliche Einfuhren sind bis auf wenige Ausnahmen in Europa bzw. dem deutschsprachigen Raum noch Mangelware. Wie wichtig ist für Dich der Handel, um den Medaka einer breiteren Öffentlichkeit bekannter zu machen?
Friedrich Bitter:
In diesem Jahr wird die Öffentlichkeit mehrfach Gelegenheit haben, auf Spezialveranstaltungen wie der Leistungsschau der Deutschen Killifisch Gemeinschaft oder Messen rund um die Aquaristik bzw. den Gartenteich die Reisfische hautnah zu erleben. Aber nicht jeder weiß, wo die Medaka ausgestellt werden – und die Zeit muss man ja auch noch mitbringen. So kommt zunächst Zoofachgeschäften, Onlineshops oder Zierfischbörsen die Aufgabe zu, entweder durch Präsentation oder mit Hilfe von Fotos und Videos die Japanischen Reisfische ins richtige Licht zu rücken.

Axel Eywill:
Und meine letzte Frage – was wünschst Du Dir als Medaka-Halter für die Zukunft dieser Tiere? Gibt es noch etwas, das Du sagen möchtest? Vielleicht etwas im Hinblick auf die Aquaristik?
Friedrich Bitter:
Von den Medakafreunden und -züchtern würde ich mir wünschen, dass sie die Geduld aufbringen können, einen Schritt nach dem anderen machen. Es gibt so viele attraktive Zuchtformen aus Japan, die erbfest sind. Warum nicht einfach diese von der Qualität her erhalten bzw. verbessern? Zu häufig sieht man allerdings, dass mit Tieren unterschiedlicher Linien hin und her gekreuzt wird, weil ja die ultimative Farbform dabei herauskommen könnte. Leider entspricht das Ergebnis meist nicht den Erwartungen und die Halter sind dann oft von den Nachzuchten enttäuscht.
Medaka sind wegen ihrer Anpassungsfähigkeit und Ausdauer ideale Einstiegsfische in die Aquaristik. Mit ihnen lassen sich erste Erfahrungen mit der Vermehrung sammeln, Jung und Alt sind begeistert, wenn der Fischnachwuchs knapp unter der Wasseroberfläche nach Nahrung sucht. Und wer weiß, vielleicht öffnen sie ja auch manchem die Augen für Natur und Umwelt – auch wenn es sich eigentlich um Zuchtformen einer einzigen Art handelt. Aber Fische mit Suchtpotenzial!

Herzlichen Dank Friedrich für das Interview und zahlreiche Bildmaterial. Der Medaka hat sicher viel Potenzial um sich in der Aquaristik langfristig zu etablieren, und Menschen die bisher mit der Aquaristik wenig zu tun hatten, dieses Hobby näher zu bringen. Ich freue mich schon auf die kommende DKG Leistungsschau in Stuttgart Ende Mai, und der damit verbundenen erstmaligen Medaka Bewertungs Show.